Vortrag von Tristan Thielmann auf der Tagung „Mit weit geschlossenen Augen. Virtuelle Realitäten entwerfen“ am 31. Mai und 1. Juni 2017 an der Köln International School of Design
Das Versprechen der Augmented Reality (AR) besteht in einer immersiven Bildlichkeit mit weit geöffneten Augen – einer Erweiterung situierter Bilder in die Tiefe des Raumes. Doch diese „Tiefe“ kann je nach Blickrichtung eine ganz unterschiedliche Dimension einnehmen.
In diesem Beitrag geht es um die Sichtbarmachung des für das menschliche Auge nicht Sichtbaren aus der Höhe und in die Höhe – eine Augmentierung, die durch den Blick vom Himmel auf die Erde und umgekehrt hergestellt wird.
Bereits im 19. Jahrhundert wurden in Luftaufnahmen die Höhenwanderungen von Heißluftballons kartiert. Es entstanden Lithographien, die unterschiedliche Raumkonzepte miteinander verbanden: ein kartesisches Koordinatensystem mit einer zentralperspektivischen Landschaftsaufnahme. Der diagrammatisch abgebildete Pfad bildet die Front, hinter der sich ein Landschaftsraum öffnet. Es verbindet sich ein untiefer mit einem tiefen Raum.
Vor einem ähnlichen Problem stehen wir gegenwärtig bei der Multicopter-Navigation mit AR-Brillen. Auch in der neuesten Generation der „See-through-AR-Displays“ schwebt die hinzugefügte Inskription zentriert im Raum und hebt sich von diesem ab, statt sich einzufügen.
In der Medien- und Bildwissenschaft dominiert immer noch der Diskurs von einer Verschmelzung des virtuellen und physischen Raums in einer „Mixed Reality“. Die Praxistheorie der „See-through-AR-Displays“ stellt eine inverse Betrachtungsweise zur Diskussion. Im Mittelpunkt steht die Inskriptionen, durch die gesehen wird, und nicht die Holistik des erweiterten Gesamtraums, auf den gesehen wird.