„Counter-practices: Understanding Sensor Datafication Through Subversive Action“

Christoph Borbach und Max Kanderske legen in ihrem jüngst bei „Dialogues on Digital Society“ erschienen Artikel dar, warum eine praxeologisch konturierte Sensormedienforschung nicht an der Auseinandersetzung mit Counter-practices vorbeikommt – mit Praktiken nämlich, die das maschinelle sensing und sense-making produktiv unterlaufen.

Ausgangspunkt des Papers ist der Befund, dass die praxeologische Wendung von den Medien hin zu den Praktiken bei Sensoren nicht ausreicht, weil schlichte Sensor-Nutzungspraktiken gerade nichts über die Eigenlogiken jener Sensoren aussagen. Will man eine technisch informierte Sensor-Praxeologie betreiben und den Practice Turn in der Medienforschung auch für Sensoren in Anschlag bringen, so die Annahme, müsste man sich ein spezifisches Bündel an Praktiken anschauen, die an der Sensing- und Sensemaking-Grenze algorithmischer Sensoren agieren: Gegen-Praktiken. Denn damit diese wirksam werden können, müssen bei ihren Praktiker:innen die algorithmischen Logiken spezifischer Sensoren zumindest hinreichend bekannt sein, um sie überhaupt konterkarieren zu können. Gegen-Praktiken, so unser begrifflicher Vorschlag, sind also gerade jene Praktiken, die nicht per se gegen Sensoren wirken, sondern sich subversiv, aber produktiv in den Logiken von Sensor-Netzwerken einnischen; sich Sensor-Gegen-Praktiken anzuschauen bringt daher den methodischen Vorteil, dass man praxeologisch forschen kann und dennoch etwas über die unsichtbaren Sensoralgorithmen und ihre Black Boxes lernt.

Der Artikel erscheint im Rahmen der neuen Dialogues-Reihe bei Sage, die auf den titelgebenden, öffentlichen fachlichen Austausch abzielt. Er wird daher erst im Laufe des Jahres – ergänzt um 5-7 von Kolleg:innen geschriebenen Commentaries als Printversion erscheinen.

English abstract:
Sensors have become embedded in all kinds of environments. Their ubiquity has prompted a boom in scholarly engagement centered around the effects of digitally interconnected sensor media and the data traces they ceaselessly produce. This research generally focuses either on theoretical or philosophical macro-perspectives—approaching the topic “from above,” so to speak—or it is ethnographic, “from below,” analyzing the practices of sensory (self-)surveillance, for example in the context of the quantified self-movement. In this article, we propose a situated, praxeological approach that combines both foci: expanding on the epistemically productive concepts of glitches and breakdowns, we follow three strands of what we call “counter-practices”—hiding in plain sight, dis/simulation, and the exploitation of sensor logics—through which we explore the inherent operations of technological sensing and sensemaking. We trace these counter-practices through historic and recent contexts, considering the interrelation of bodies, media and environments, and extrapolating epistemological conclusions that are meaningful for critiquing the codes, logics, and logistics of recent sensor-media societies. Asking how certain practices elude and subvert intended processes of sensor datafication provides a methodological blueprint for media studies and cultural theory that are faced with an algorithmic and technological situation that has rendered itself largely unobservable.

Bildnachweis:
“CV dazzle Look 5.” Commission for The New York Times Op-Art. 2013. © Adam Harvey 2013. From Adam Harvey (ns).